Besuch in Torre Pellice vom 6. bis 11. Oktober 2024

Mit knapp 40 Personen fuhren wir mit dem Freundeskreises Städtepartnerschaft vom 06.10.24 – 11.10.24 nach Torre Pellice. Organisiert wurde die Fahrt von Monique Schmitt.

Untergebracht waren wir in der Foresteria Valdese. Der Name kommt aus dem Lateinischen, „foris“ bedeutet „draußen“. Leitspruch für die Foresteria ist der Hebräerbrief 13,2: „Der Gastfreundschaft vergeßt nicht! Denn durch diese haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“

Als Auftakt stand ein Gang durch das Waldenserviertel auf dem Programm, dessen Geschichte  Alfred J. Arndt erläuterte.

Weiterhin beschrieb er, daß hier fast jede Familie ein Opfer durch den deutschen und italienischen Faschismus zu beklagen hatte. Viele Menschen aus Torre Pellice und Umgebung schlossen sich der Partisanenbewegung ab dem Jahr 1943 an. Diese Vergangenheit ist hier stark im Bewußtsein der Menschen verankert und spielt neben den Waldensern eine wichtige Rolle in der Städtepartnerschaft. Beide Aspekte liegen in Torre Pellice räumlich eng beieinander. Das Waldenserviertel mit dem Denkmal von Henri Arnaud, Museum und Bibliothek,

Museum und Bibliothek

Tempio Valdese und Casa Valdese, befindet sich wie das Partisanendenkmal und das Denkmal für die Gefallenen im Lager („Al caduti nei Lager“) in der Via Beckwith.

Der Straßenname geht auf den britischen Militärangehörigen John Charles Beckwith zurück, der nach Beendigung seiner militärischen Laufbahn in die Waldensertäler reiste und mit eigenem und gespendeten Geldern aus Großbritannien den Bau des Waldenserviertels förderte. Er starb 1862 in Torre Pellice. Sein Engagement hat dazu geführt, dass die englische Kultur hier sehr präsent ist und viele Personen englische Vornamen trugen, wie z.B. Jenny Cardon Peyronel, eine Partisanin, die die letzte Tote des Zweiten Weltkrieges im Pellicetal war.

Wer wissen möchte, welche wichtigen Persönlichkeiten sonst noch in Torre Pellice lebten, findet ihre Namen auf der Skulptur am Verkehrskreisel „Partnerstädte“ in der Rüsselsheimer Straße am Ortsausgang Mörfelden oder kann sich auf der Webseite der Stadt Mörfelden-Walldorf darüber informieren.

     

Am Nachmittag ging es nach Pinerolo, ca. 15 km von Torre Pellice entfernt. Die Stadt hat 35.000 Einwohner, also so viel wie Mörfelden-Walldorf, wirkt mit der Betriebsamkeit auf seiner Hauptverkehrsstraße Corso Turino aber eher wie Darmstadt.

Wie in Torre Pellice gibt es auch in Pinerolo einige schmucke, hölzerne Bogentore zu bewundern. Außerdem fallen in den Orten (Pinerolo, Torre Pellice) neben den Palmen riesige Zedern auf, die das Stadtbild beleben.

Ein paar Meter weiter vom Corso Turino liegen die schönen kleinen Sträßchen der Altstadt mit dem Dom San Donato, auf dessen Platz 1000 Jahre lang Markt abgehalten wurde, aber auch Hinrichtungen statt fanden.

In Pinerolo befand sich von 1849 bis 1943 die italienische Heeres-Reitschule. Deshalb gibt es hier das Historische Kavallerie-Museum und man kann die imposante ehemalige Reithalle von außen besichtigen.

Am nächsten Tag spielte das Wetter leider nicht mit: heftiger Dauerregen begleitete die Bustour zur Sacra di San Michele, einem Kloster, das aus dem 10 Jahrhundert stammt und auf dem Berg Pirchiriano in 900 m Höhe liegt. Die letzten 500 Meter, die es zu Fuß zur ehemaligen Benediktinerabtei hinauf ging, legten wir im strömenden Regen zurück. Ein Weg, der sich gelohnt hat. Sehr beeindruckend im Inneren der Anlage ist die steile „Totentreppe“.

 

Sie symbolisiert den (beschwerlichen) Lebensweg und es wurden dort mumifizierte Körper der Mönche ausgestellt. Die Kirche betritt man durch eine zweiflügelige Tür, die mit den Waffen des Erzengels Michael für den Kampf gegen das Böse geschmückt ist. Als wir aus der Kirche hinaus ins Freie traten, regnete es nicht mehr, die Wolken brachen auf, und es öffnete sich ein grandioser Blick in die Ferne, hin zu schneebedeckten Bergen und ins Tal, garniert mit Wolken- und Nebelfetzen.

Auf der Rückfahrt hatten wir einen schönen Blick auf die beiden Aviglianer, die malerisch im Tal unterhalb des Berges liegen. Wegen des noch feuchten Wetters mussten wir das dort geplante Picknick leider ins Innere der Foresteria verlegen.

Am Tag darauf durfte ein Besuch im Werksverkauf des Schokoladenherstellers Caffarel in Torre Pellices Nachbarstadt Luserna San Gionvanni  nicht fehlen.

Danach war ursprünglich eine Besichtigung der Alpenfestung Fenestrelle geplant. Leider haben sich deren Öffnungszeiten nicht an unser Vorhaben gehalten und so besuchten wir spontan das wenige Kilometer entfernt liegende Dörfchen Ussaux im Val Chisone.

Die Attraktion in Ussaux sind neben den schön gestalteten engen Gassen die zahlreichen Wandmalereien (Murales) an den Häusern.

Alte Stein- und Holzhäuser sind zu sehen sowie etliche Brunnen. Direkt neben der Kirche liegt die Gastwirtschaft, in die ein Großteil unserer Reisegruppe auf einen Kaffee einkehrte.

Anfang des 20. Jahrhunderts verließen viele Menschen den kleinen Ort, der heute wieder 189 Einwohnerinnen und Einwohner hat. Ussaux gehört einem Verein an, der sich um die Förderung kleiner Orte in Italien kümmert, die von historischem Interesse sind. So wurde das Dorf wieder hergerichtet und Bewohner kamen zurück oder siedelten sich bewusst hier an, um dem Ort neues Leben einzuhauchen.

Das gemeinsame Abendessen in Bobbio Pellice im bewährten Restaurant Laghetto Nais, rundete diesen Tag ab. Das Restaurant, das für seine Forellen aus eigener Zucht bekannt ist, hatte für diesen einen Abend extra für uns geöffnet.

 

Am darauf folgenden Tag stand bei schönstem Wetter nochmals ein Besuch von Pinerolo an.

Dort steht an der Via Clemente Lequio in einer Grünanlage ein ökumenisches Denkmal, das an die Verfolgung der Waldenser durch die katholische Inquisition erinnert. Es trägt es auf italienisch die Inschrift „Für alle Opfer religiöser und politischer Intoleranz“. Vor dem Denkmal sind zusätzlich Stelen aufgereiht, die an Orte und Ereignisse vieler weiterer Opfer erinnern: Auschwitz, Hiroshima/Nagasaki, Sabra und Schatila, Ruanda, USA 11.09.2001, Gaza 2023/2024.

Geht man weiter quer durch den kleinen Park, steht man vor dem Tempio Valdese, der 1860 gebaut wurde.

Die Chiesa di San Rocco liegt zentral nahe dem Corso Torino. Ihr eindrucksvoller Altar ist vollständig vergoldet und sieht zusammen mit dem dahinter hängenden Bild, das von einem mächtigen vergoldeten Rahmen gehalten wird, sehr prächtig aus – ist also das Gegenteil von waldensischer Bescheidenheit.

Nach dem Besuch Pinerolos ging es weiter nach Lagnasco zu den Schlössern und dem Garten der Essenzen. Das Gebiet wird schon seit dem 14. Jahrhundert für Obstanbau genutzt und wir sahen unterwegs größere Flächen mit Spalierobst (Äpfel).

Bei den Castelli Lagnsaco handelt es sich um einen Komplex aus drei verschiedenen, eher schlichten Backsteingebäuden. Ursprünglich wurde die Anlage zu militärischen Zwecken genutzt. Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts war sie der Sitz der Familie Tapparelli. Bedeutsam war der Richter Benedetto der Erste, der Im 16. Jahrhundert Kunst und Kultur in die Castelli brachte.

             

Nach dem Tod des letzten Tapparelli Ende des 19. Jahrhunderts gingen die Castelli in öffentliches Eigentum über und wurden nach dem Zweiten Weltkrieg noch bis 1998 als Wohnraum genutzt. Danach begannen die Renovierungsarbeiten und das Ergebnis im Inneren der Gebäude kann sich sehen lassen. Elke Torrini war bei dem Gang durch die verschiedenen Räume mit Bildern und Fresken im Dauereinsatz und übersetzte uns die Erklärungen des sehr netten und engagierten italienischen Gästeführers.

           
Sehenswert ist u.a. der Groteskensaal mit seinen fantasievoll-schaurigen Figuren, die deutliche Anklänge an das Goldene Haus von Nero in Rom zeigen.

Der Gerichtssaal, in dem Benedetto I Recht gesprochen hatte, ist mit Gemälden verziert, die moralische Sinnsprüche darstellen und so alle Anwesenden zur Tugendhaftigkeit ermahnten.

Gesättigt mit Kultur fuhren wir weiter zur Weinprobe bei der Societa’ Agricola Cardon S.S. in Prarostino. Zu jedem Wein wurden wohl schmeckende Häppchen regionaler Spezialitäten serviert.

         

Beehrt hat dabei uns dabei der frühere Bürgermeister von Torre Pellice, Claudio Bertalot und dessen Gattin. Elke Torrini hat auch hier wieder übersetzt und dieser Abend bildete den Abschluss einer informativen und genussvollen Fahrt.

Text: Petra Schmidt, 21.10.2024
Fotos: Reiseteilnehmer